Die Seufzerbrücke

Dieser Anblick lässt die Kölner melancholisch werden.

„Sie hat noch nicht mal einen Namen, die Brücke am Ostasiatischen Museum“, heißt es im Kölner Stadtführer von Bernd Imgrund mit dem hübschen Titel „111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss„. Gemeint ist die Brücke am Aachener Weiher, die seit nun schon zwei Jahren wegen Baufälligkeit gesperrt ist. In ihrer Septembersitzung hatte die Bezirksvertretung Innenstadt eine Aktuelle Stunde anberaumt, in der die Stadtverwaltung zum Fortgang der Brückenbauarbeiten befragt wurde. Ergebnis: Das bereits im letzten Jahr beauftragte Unternehmen hat in einer beispiellosen Art gehudelt, getrödelt und gemurkst; das Bauwerk muss wohl zur Hälfte wieder abgerissen werden. „Da ist buchstäblich der Wurm drin“, kommentierte Bezirksbürgermeister Hupke. Die Arbeiten werden sich wahrscheinlich bis weit ins Jahr 2012 ziehen.

Verbogen und verzogen, schon vor der Fertigstellung

Gerd Neweling, Leiter des Amts für Brücken und Stadtbahnbau, ist ein freundlicher und, wie er in der Sitzung sagt, positiv denkender Mensch. Daher ist er optimistisch, dass das beauftragte Unternehmen unverzüglich Abhilfe schafft und die Pflichten aus der Ausschreibung doch noch wahrnimmt. Denn was ihm der von der Verwaltung bestellte Sachverständige zu berichten hatte, ist gravierend: Minderwertiges, zu feuchtes Holz mit Rindeneinschlüssen und unzulässiger Astgröße wurde verbaut, die Geländerstützen falsch montiert, die Schraubenköpfe zu tief in die Bohlen versenkt. Teils ist das Holz gerissen, abgesplittert, verformt, sogar von Insekten befallen. „Eichenholz ist eigentlich extrem schädlingsresistent“, erklärt Neweling, „man muss schon viel falsch machen, dass sich dort Insekten hineinfressen“.

Bei Sportevents wird die Schikane gepolstert.

Eigentlich hätte der Steg im Sommer fertig werden sollen. 2010 wurde ausgeschrieben, der Auftrag im September vergeben. Erst im Januar wurde dann mit dem Betonteil begonnen; die Holzbauer rückten im Juni an, neun Monate nach der Vergabe. Lieferschwierigkeiten, hieß es, doch es stellte sich heraus, dass der Bauunternehmer das Holz aus seinem eigenen Wald geschlagen und verarbeitet hatte. Als dann die Verwaltung die Arbeit nachprüfte, wurde im August ein sofortiger Baustopp verfügt. In der Bezirksvertretung reagiert man empört. „War das der Billigste?“, will der Vertreter von Pro Köln wissen. „Selbstverständlich“, antwortet Neweling. – „Da haben wir’s doch schon.“ – „Die Ausschreibungsregeln verpflichten uns, den Billigsten zu nehmen“, stellt Neweling klar, „er ist trotzdem verpflichtet, sich an den Auftrag zu halten“. –  „Macht er sich jetzt vielleicht mit dem Geld vom Acker?“, will ein Vertreter der Grünen wissen. „Nein“, antwortet Neweling, „er hat ja noch keins erhalten“. Man gebe der Firma eine Chance nachzubessern, wenn dies nicht geschehe, werden die rechtlichen Mittel ausgeschöpft. „Das ist auch notwendig“, erinnert sich ein Vertreter der SPD an den vergangenen Ortstermin, „die Brücke ist einfach nicht begehbar, da sind zentimeterhohe Stolperkanten drin.“

2011?!? Nein, später...

Der Stadt droht also kein finanzielles Desaster, wohl aber ein imagemäßiges. „Siebenhundert Euro kostet das Gerüst die Stadt jeden Monat“, spricht mich ein Passant an, als ich Fotos von der Brücke aufnehme. „So stand es in der Zeitung. Und wann soll das jetzt fertig werden?“ Ein anderer zeigt auf den Weiher. „Die Stadt kommt einfach nicht aus dem Quark. Als letztes Jahr die Fische verreckt sind, hieß es, der Mitarbeiter, der für den Wasserhahn zuständig ist, wäre in Urlaub. Und jetzt schaffen sie es nicht mal, eine kleine Brücke fertig zu kriegen.“ Ein hoffnungsloser Kölner hat schon den Termin am Baustellenschild mit Edding als fraglich markiert. Auch Bezirksbürgermeister Hupke ist mit der Geduld am Ende: „Das ist einfach Pfusch am Bau. Wenn der Mann es jetzt nicht kapiert, dann werfen Sie ihn lieber raus und machen Sie einen Schnitt, als dass er jetzt jahrelang hinter seiner Arbeit hinterherpfuscht“, empfiehlt er der Verwaltung.

Dass die Brücke überhaupt sanierungsbedürftig ist, verdankt die Stadt einem besonderen Fall von Korruption. Unverwüstliches Tropenholz wurde über Jahre durch Eiche ersetzt – eine damals beauftragte Firma tauschte es im Rahmen von angeblichen Wartungsarbeiten aus, die sie acht Jahre lang vom selben zuständigen Sachbearbeiter zugeschanzt bekam. 1998 flog die Sache im Rahmen einer großen Razzia auf, die eine Reihe Kölner Honoratioren ihre Karriere kostete. Der Sumpf ist heute halbwegs trocken, nur der Brücke hat es bislang noch nicht geholfen. Der Brücke ohne Namen. Der Kölner Seufzerbrücke.

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