Die Tanznomaden checken ein

Etappe im Belgischen: Slava Gepner (rechts) und Carmen Casagrande im Tanzproberaum

Jung, etabliert, heimatlos – das Ensemble NovaTanz hat schon viele Prädikate gesammelt. Derzeit ist die international besetzte Kölner Formation für einen Monat im Cologne Dance Center an der Venloer Straße untergekommen und bereitet sich für den nächsten Termin vor: Am 19. Oktober ist Premiere ihres Stücks „Check…in“, das im Rahmen der Interkulturellen Woche im Ehrenfelder Arkadas-Theater aufgeführt wird. Slava Gepner, künstlerischer Leiter, versucht gerade mit der polnischen Botschaft Kontakt aufzunehmen, um Ersatz für einen ausgefallenen Sponsor zu organisieren. Zeit für ein Interview hat er trotzdem und bittet die Choreografin Carmen Casagrande mit dazu. Gemeinsam haben sie im September bereits die Schaufenster des Belgischen Viertels bespielt. Das neue Stück ist von der Bankenkrise inspiriert und handelt von dem mörderischen Kampf um Status und Macht, der sich hinter der Fassade von Effizienz und Freundlichkeit verbirgt.

Mörderisches Business: Das Ensemble von "Check...in"

Urbanität ist die große Klammer, in die sich die Performances von NovaTanz einfügen. Mensch und Masse, Maske und Status prägen die gesellschaftlichen Kampfszenen in „Check…in“. Ästhetik und Künstlichkeit, Entfremdung und Eitelkeit waren es, die „Schaufenster“ so beeindruckend machten. Für 2012 haben sich die beiden kreativen Köpfe ein „Requiem für Orte“ vorgenommen, in dem viel mit Film gearbeitet wird. Preisgekrönte Filmleute helfen beim Konzept und bei den Projektionen für das Bühnenbild. Slava Gepner beschreibt sich selbst als den polnischen Feuerkopf, dessen tausende wilde Ideen durch das ruhige schweizerische Wesen von Carmen Casagrande kanalisiert werden. Die Mischung scheint gut zu funktionieren; die gegenwärtige Produktion ist bereits ihre dritte.

Ästhetik ist Schwerarbeit. José Manuel Ortíz im Schaufenster

Und weil sie heimatlos in Köln und Umgebung umherstreifen, haben sie auch einen besonderen Zugang zu ihrem Publikum entwickelt. „Die Zeiten, in denen Tanztheater an sich schon Glamour verbreitete, sind vorbei“, berichtet Gepner, „früher gab es Pina Bausch oder die berühmten Dissidenten aus Osteuropa, auch eine Menge Skandale. Heute müssen wir neu anfangen. Und dafür müssen wir vor allem eins – raus aus den Kellern und mitten unter die Leute.“ Happenings am Brüsseler Platz, Projektionen in Vitrinen, aber auch Workshops mit Schülern, Senioren oder Behinderten gehören ebenso dazu wie neue Angebote, etwa Tanztherapie. Gerade das Belgische Viertel halten Gepner und Casagrande für eine ideale Spielwiese. „Hier können wir Leute begeistern, die kaum Kontakt zu Tanz haben“, erklären sie, „die lernen Tanz ganz neu kennen.“

Als Tanzensemble führt man häufig ein rastloses Dasein. Vor zwei Jahren stampfte NovaTanz mit drei Mann in den Spichernhöfen in einer leeren Halle eine komplette Bühne aus dem Boden und studierten nebenbei noch die Choreographie ein. „Wir können froh sein, dass es wenigstens das CDC gibt“, sagt Carmen Casagrande, „hier können wir uns einmal in Ruhe vorbereiten. Aber die Plätze sind begehrt, nirgendwo ist die Tanzszene so dicht wie hier in Köln“. Daher sucht NovaTanz auch fieberhaft nach Spielorten im Belgischen Viertel. „Köln braucht Tanz“, resümiert Slava Gepner. „Welche Sprache ist denn in der globalisierten urbanen Welt besser als Tanz?“

Dieser Beitrag wurde unter Events, Musik abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert