Großes Stühlerücken an der Aachener

 

Italiener im Wandel: Von der Trattoria zum Pizzataxi

Wer das Viertel längere Zeit nicht besucht hat, wird staunen, wie sich die Aachener Straße in Jahresfrist verändert hat: eine enorme Fluktuation hat beinahe die Hälfte der Gastronomie auf der Aachener Straße erfasst. Besonders bitter ist für viele der Verlust gehobener italienischer Küche, die hier bis vor kurzem noch florierte. Auch Türken findet man hier nicht mehr. Zu allem Unglück schloss dann der spanische Delikatessenladen „Solera“ im März die Türen. Dafür eröffnet demnächst mit „Foxberry“ ein Frozen-Yoghurt-Laden; auch ein weiterer Friseur versucht sein Glück zwischen den vielen Konkurrenten. Interessant ist vor allem, dass sich in den besonders schwierigen Lagen wie dem seit Jahren leer stehenden „Lauschgift“ etwas tut.

Die Opernschänke schloss nach 35 Jahren, nebenan die neue Mangeria.

Insgesamt ist die Aachener Straße nicht direkt unitalienisch geworden. Seit der Inder „Buy Buy“ eine Haustür weiter gezogen ist, versucht sich die „Mangeria“ mit Bistrokost, Schwerpunkt Focaccia, in dem neu herausgeputzten und liebevoll gefliesten Lokal. In die vergiftete Nummer 11 schräg gegenüber (Creperie, Frittenbude, Cocktailbar und sehr viel Leerstand) ist eine Außenstelle der Bella-Italia-Kette gezogen. Ob dies über den Verlust der Trattorien „Vesuvio“ und nun auch „Palermo“ hinwegtröstet, ist fraglich. Die Gastronomenszene weiß bereits, dass das Schmitz-Imperium im früheren „Palermo“ ein drittes Schaufenster eröffnen will. Nun ist das „Fiamma“ dienstältester Italiener auf der Flaniermeile.

Das bricht Stammkunden das Herz: der letzte türkische Mittagstisch hat zu.

Viel deutlicher dagegen das Verschwinden türkischer Gastronomie. Nachdem der ehrwürdige „Sultan“ schon lange fort ist, folgten nach und nach auch die Imbisse: Der „Aachener Imbiss“ war der letzte seiner Art auf der Aachener Straße, nun hat auch der Dönerladen hinter dem Barcelo-Hotel mit Mittagstisch und Metzgerei völlig überraschend seine Pforten geschlossen. Das seit Februar auf der Südseite bestehende „Sidi Bou Saïd“ bietet immerhin Ausgleich mit solider nordafrikanischer Küche.

Geheimnisvolle Einrichtungsgegenstände wandern ins Ex-Lauschgift

Die zweite vergiftete Lage auf der Aachener ist das ehemalige Lauschgift, das nun schon seit sechs Jahren leer steht. Hier hat keine Disco lange gehalten; ältere Semester erinnern sich noch an das grandios gescheiterte Projekt von Heiner Lauterbach, der dort eine völlig überdimensionierte und wie aus der Welt gefallene Homebase namens „Crank“ eingerichtet hatte, die kaum besucht und schnell wieder geschlossen war. Hier wird seit Wochen eifrig umgebaut. Neues Leben kündigt sich auch in der dritten Giftlage an: unmittelbar hinter der Bahnbrücke im früheren Rolls-Royce-Haus wird ein Orient-Teppichladen eröffnen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser so wie der Matratzenladen zuvor die massive, schwülstige Theke beibehalten wird, die seinerzeit Paul für seinen „Paul’s Club Royal“ bauen ließ – als Andenken an die halbseidenen Zeiten Mitte der Nullerjahre.

 

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2 Antworten auf Großes Stühlerücken an der Aachener

  1. Herr J. sagt:

    Das Verschwinden des „Aachener Imbiss“ (richtiger Name „Phazzari“ oder so änhlich;-)) empfinde ich als mittlere Katastrophe. Der Laden hatte immer Top-Essen!
    Wer soll mir denn jetzt Falafel machen?!?!?!?

  2. Michael sagt:

    Der „Aachener Imbiss“ war nicht derPazari, sondern da wo jetzt die Beefbrothers braten.

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