Künstlerkommune im UFA-Palast: „Bitte rauchen Sie, was das Zeug hält“

Schwer was los im Foyer: Kunst und Zigaretten umsonst

Ein Raucherkino mitten in Köln, das nach Sprühfarbe riecht: Der UFA-Palast hat sich für eine Woche herausgeputzt. Marco Zumbé, MrTrash, Paulina Quintanajornet und Rakaposhii geben sich im Foyer die Ehre, sämtliche Wände mit ihren Figuren und  Schriftzügen einzudecken. „Variété Liberté“ nennt sich das Programm, weil eine bekannte Zigarettenmarke das Geld für eine einmalige Idee zugeschossen hat: Im ehrwürdigen Gebäude aus den Zwanzigern, das seit zwei Jahren keine Filme mehr zeigt, toben sich die vier Kölner Streetart-Protagonisten hemmungslos aus. Im großen Vorführraum werden derweil Konzerte, Lesungen und DJ-Sets zu Stummfilmen aufgeführt. Am heutigen Samstag geht die Reihe zuende, in der Finissage darf gestaunt und natürlich geraucht werden, bis die Lunge kracht.

Rakaposhiis Kegelgruppe am ehrwürdigen Aufgang zum großen Saal ist noch in Arbeit.

„Ob das alles an den Wänden bleibt, wissen wir nicht“, sagt Rakaposhii, einer der aktivsten Kölner Street-Art-Künstler, und rollt sich eine Zigarette. „Die Eigentümer werden entscheiden.“ Hinter im lächeln seine bunten kegelförmigen Figuren vom Treppenaufgang herab und es fällt schwer sich vorzustellen, dass jemand dies überstreichen wollte. „Darauf kommt es aber auch nicht an“, sagt er, „wenn ich etwas auf die Wand bringe, dann habe ich es übergeben.“ Ähnlich verhält es sich mit seinen Paste-Ups, auf Spezialpapier aufgetragenen Malereien, die er auf Häuserfassaden klebt. „Wenn das hängt, gehört es den Leuten“, erklärt er und steckt sich die Zigarette an. „Manche Bilder male ich als Kopie noch einmal, aber das ist selten. Es geht mir um den öffentlichen Raum.“ Rakaposhiis Werke sind auch im Belgischen Viertel zunehmend sichtbar, seit er sich entschieden hat, seine Botschaften aus dem Ehrenfelder Künstlerkiez herauszutragen.

Mumia mit Kind: Rakaposhii im öffentlichen Raum

Rakaposhii kommt aus Thüringen. Die Kindheit in der DDR hat ihn ebenso geprägt wie verschiedene Reisen, vor allem nach Asien. Seit 11 Jahren wohnt er in Köln, wo er mit der Street Art begonnen hat. „Mir fehlte etwas“, erklärt er seinen flächigen, comichaften Malstil, „was die westliche Produktwerbung einfach nicht schafft: Ein klarer Charakter, der eine klare Botschaft sendet.“ Also lässt er Bud Spencer „Shopping sucks“ sagen, oder er klebt Mädchen mit Reisschüsseln, traurige Jungen oder den Dalai Lama auf die Fassaden. Letzterer übrigens wurde eines Abends von einem geheimnisvollen Mann auf einem rosa Vespa-Roller abgelöst. „Ich habe Kollegen, die das verfolgen würden“, winkt Rakaposhii ab, „aber ich bin nicht so.“ Längst ist er mit seinem Kopf schon im nächsten Projekt. „Nächste Woche geht es nach Hamburg. Das weiß ja keiner mehr, dass die Street Art da schon weit vor Berlin in Blüte stand.“

Storytellers de Luxe in Aktion

Im Kinosaal ist es derweil stickig geworden. „Wir schwitzen jetzt schon wie die Schweine“, grinsen Patrick Salmen and Christian Bartel, die heute Abend als Storytellers de Luxe auftreten, „bitte rutschen Sie nicht drauf aus“. Dann legen sie los, erzählen von drogengesättigten Abiturfeiern, Träumen in alten Marmeladengläsern und dem Zwang, unerträgliche Floskeln wie „zum Bleistift“ aufzusagen. „Kommense rein, könnense rausgucken“, ruft Salmen mit Nachdruck ins Publikum, doziert penibel über die Witzwirkung des Spruchs und macht ihn damit das erste Mal wirklich lustig. „Und bitte: Rauchen Sie, was das Zeug hält“, verabschiedet er seine Zuhörer in die Pause. „Es ist alles umsonst. Selbst wir bekommen unsere Gage in Stangen ausbezahlt.“

Siebdruck: auch zum Selbermachen

Beim Hinausgehen nehmen die aufgeheizten Gäste gerne noch eine Tasche mit, die sie mit Siebdruck selbst bedrucken können. Die Motive sind von den vier Künstlern, auf der Rückseite natürlich ein Helm mit Flügeln. „Naja“, hebt Rakaposhii die Schultern und zündet sich noch eine an, „die Stadt hat keine Kohle mehr. Dann ist es doch in Ordnung, wenn jemand anderes Geld gibt.“ Und Geld hat es gekostet: Alles war umsonst.

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