Passagen: Kunst eins – Kommerz eins

 

Design ist Kunst. Jedenfalls in den zuständigen Galerien.

Die Internationale Möbelmesse stellt auch dieses Jahr wieder mit den Passagen das Belgische Viertel auf den Kopf. Auch wenn die ganze Stadt mit Design, Kunst und Kommerz überzogen wird (und in Ehrenfeld noch viel mehr läuft als hier), verfügt das Veedel über einige neuralgische Punkte: Im Untergeschoss des StadtRevue-Verlags hat die Galerie Artyfarty die Passagen-Lounge eingerichtet, die jeden Tag anders eingerichtet wird. Und im Stadtgarten läuft jeden Abend die Cologne Music Week, ergänzt um Party-Satelliten im Scheuen Reh oder im 672.

Design ist Kommerz. Jedenfalls bei den zuständigen Deko-Ketten.

Während die Presse schon am Montag durch die Läden rauschte, war der Dienstag der große Empfangs-, Cocktail- und Häppchenabend. Dabei war – gerade in den Galerien – regelrechte Kunst zu bestaunen. Langweilig dagegen das Angebot der Einrichtungshäuser, die teils nur aktuelle Möbelkollektionen nach vorne rückten und eine „Passagen“-Fahne daneben hängten.

 

Schuhe von François Dumas - zu schade zum Anziehen

In Kooperation mit dem Institut Français zeigt die Galerie Chu Werke von François Dumas, die so kunstvoll sind, dass man sie sich gar nicht zu benutzen traut: Schüsseln aus neonfarbenen Kunststoffwürsten und Schuhe aus einem einzigen, gewundenen Lederriemen. In der Genter Straße, im „Museum für verwandte Kunst„, steht eine Schlafzimmer-Installation von Regine Stehlow-Lorenz, mit einem Bett aus ausgestopften Tennissocken und einem Vorleger aus Teebeuteln. Hier atmet alles eine unwirkliche, geradezu beklemmende Atmosphäre, die Bücher im Regal sind zu Zylindern gefaltet, daneben hängt eine Corsage, gespickt mit Hunderten Nägeln. Katrin Bergmann ist dagegen das genaue Gegenteil von unwirklich: Liebevoll serviert sie Mini-Amerikaner und Tee mit Rum, über den sich die ausgekühlten Gäste aufrichtig freuen.

Klar und alpin: Schweizer Design bei Fiebach, Minninger

Selbstverständlich soll sich Design aber auch verkaufen und nicht nur bestaunen lassen. In der Galerie Fiebach Minninger in der Venloer Straße haben sich fünf Hersteller aus der Schweiz die Räume geteilt und präsentieren von der Leuchte über Gartenmöbel bis zum Regal stabile und geschmackvolle Einrichtungsgegenstände. Fotograf Ivo Kuhn zeigt dazu Landschaftspanoramen im Megaformat, zusammengesetzt aus mehreren, über Stunden im Hochgebirge aufgenommenen Bildern von überraschend zerbrechlicher Schönheit.

Tine Krumhorn erklärt der Presse ihre Arbeitsweise. Daneben: Chaiselongue, Sessel, Wandspiegel.

Bei 2Plus in der Brabanter Straße hat sich Tine Krumhorn aus dem französischen Metz niedergelassen. Sie zeigt Sessel, Paravents, Tischchen und Spiegel aus Pappe. Diese hat sie selbst Schicht um Schicht zusammengeleimt, teils roh belassen, teils fein ausgearbeitet. „Ich sehe das als ein Augenzwinkern“, erklärt sie und weist auf einen Kronleuchter, „so bleibt das Material erkennbar. Pappe ist ein armes Material, Blattgold dagegen Luxus.“ So erzeugt sie eine eigentümliche Spannung, die sich auch in einem vom Rokoko inspirierten Tischchen zeigt, in das Seidenbändchen ebenso wie Umzugsdecken eingearbeitet wurden. Die Stahlfüße der Papp-Chaiselongue sind von Spritztüllen inspiriert. „Eine Spezialität sind meine Spiegel, in denen man sich nicht spiegeln kann“, lacht Krumhorn und weist auf die riesigen Papprahmen, in die winzige Spiegelflächen eingefasst sind. Alle Ausstellungsstücke kann man sonst normal benutzen – und natürlich kaufen.

Die Passagen laden zum Staunen ein. Hinterhof mit Steinbadewanne

Auf einem solchen Streifzug entdeckt man neben praktischen Filztragetaschen, Holzwaschbecken und Steinbadewannen auch den ein oder anderen Hinterhof, an dem man jahrelang achtlos vorübergeeilt ist. Dies ist einer der besonders charmanten Aspekte der Passagen, die damit ihrem Namen alle Ehre machen. Die ausgetretenen Wege dagegen bieten wenig Neues. Dass Butler am Hohenzollernring nun einige Möbel herumstehen hat, interessiert den Mainstream-Käufer vielleicht, aber genauso könnte die Ansammlung aus Schrankkoffern, Apothekenschränken und auf alt getrimmten Kommoden auch bei Mambo, Habitat oder im Weißen Elefant stehen. Wenig besser macht es Glow am Friesenplatz, die eine Leuchte und ein paar Regale lieblos vorne am Fenster platziert haben, oder die Möbelmeile am Kaiser-Wilhelm-Ring, wo Standardprogramm und Sonderprogramm kaum auseinanderzuhalten sind, auch wenn vor dem Eingang natürlich ein schickes Sektzelt lockt.

Insgesamt ist ein noch gut erträgliches Gleichgewicht zwischen reinem Abverkauf und „l’art pour l’art“ entstanden, mit schönen kleinen Überraschungsmomenten. So konnten die Spaziergänger auf der Genter Straße am Montag einen kleinen exklusiven Moment genießen: Vor der Galerie zementierte der Streetart-Künstler xxxhibition gerade einige seiner knallbunten Gehwegplatten ein, in denen funkelnde LED-Lichter um Sterne und Totenköpfe kreisten.

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