In der Galerie Ruttkowski;68 in der Bismarckstraße hat sich – ganz unbemerkt vom Trubel der Saisoneröffnung – der holländische Graffitikünstler Zedz eingenistet. Zwei Wochen verbrachte er mit Zeichenstift, Siebdruckfolien und Laubsäge in den Räumen der ehemaligen Wohnstätte des 2010 völlig überraschend verstorbenen Kult-DJs Sven „Rutte“ Ruttkowski, in der noch vor zwei Jahren wilde Partys im Gewölbekeller stattfanden. Nils Müller, Fotograf und Galerist, kennt die Street-Art-Szene seit vielen Jahren und hat die Galerie vor neun Monaten seinem Freund „Rutte“ zu Ehren eröffnet. Gemeinsam mit Zedz, der seit seinem vierzehnten Lebensjahr sprayt, arbeitete er eine aktuelle Serie aus, die fast vollständig in den Räumen der Galerie entstand.
Zedz wurde im Rahmen des Cityleaks-Festivals nach Köln geholt, wo er Anfang September mit dem Schweizer Kollegen Smash137 eine Fassade in der Christianstraße in Ehrenfeld gestaltete. Seine Arbeit ist sehr stark von der Graffiti-Bewegung geprägt: Im Vergleich zu den recht bildhaft und teils fast fotorealistischen Arbeiten der Kollegen aus Südamerika und Südafrika fühlt sich Zeds den textgrafischen Ursprüngen verpflichtet, mit denen er als Jugendlicher Häuserfassaden und Züge markierte. „Das war absolut illegal und wurde auch verfolgt“, erklärt Müller, „deswegen war die Szene auf das Erlebnis fixiert, diese Grenzübertretung in einer rasend kurzen Zeit mit maximaler Expressivität zu begehen.“ Heute ist die gesellschaftliche Akzeptanz für Streetart groß, Müller stellt sogar schon einen beginnenden Kunst-Hype fest: „Manche Werke, die ich vor einem halben Jahr für viertausend Euro ausgestellt habe, hängen derzeit in Brooklyn und kosten das Dreifache.“
Müller war selbst Bestandteil der Bewegung. Er begleitete die Graffiti-Szene, fotografierte ihre Arbeiten und Aktionen und hielt sie in einem Bildband fest, der die heimlichen Attacken auf Gleise, Tunnel und Rangierstationen eindrucksvoll schildert. „Ich bin den Leuten, die ich begleiten durfte, sehr dankbar“, sagt er, „es ist sonst schwer, einen Eindruck von der geballten Energie zu bekommen, die diese Künstler antreibt. Sie riskieren viel, sie investieren Zeit, Geld und ihre Gesundheit – und das ohne jeden kommerziellen Antrieb. Es ist der Kick, der zählt, und der Stolz auf das Werk.“
Zedz ist heute – mit 40 Jahren – längst ein legaler Künstler, Grafiker und Gestalter. Er fühlt sich der niederländischen und internationalen Moderne nahe und präsentiert seine Arbeiten in bisweilen stark abstrahiertem Stil, dessen Grundformen oft Quadrate in Kreisen sind. Trotzdem bleibt der Textzug seines Namens das grafisch bestimmende Element, auch wenn er manchmal kaum mehr in der ganzen Geometrie zu erkennen ist. Zedz nimmt sich für seine Entwürfe viel Zeit, entwirft viele Formen zu Hause am Küchenlaptop und verwendet anschließend die Siebdruckvorlagen immer wieder neu, so dass auch Serienproduktionen nie gleich sind. Geradezu spontan und damit wieder fast so prickelnd wie die Anfänge war sein Wandgestaltungs-Auftrag, über den er sagt: „Ich habe mit meinen Kreisen die Paukenschläge gesetzt und mein Schweizer Kollege den Fluss der Symphonie gestaltet. Es war eine fantastische Erfahrung, vor allem, weil wir keine Zeit hatten: Wir mussten füreinander mitfühlen und mitdenken. Das Schwierigste war einfach zu wissen, wann man aufhört und das Werk als fertig betrachtet.“
Cityleaks neigt sich langsam seinem Ende zu. Die Fassaden sind nun weitgehend fertig gestellt, die Galerienwoche geht noch bis zum 25. September. Für Nils Müller bleibt die Urban Art weiter bestimmend: Ab Oktober zeigt Ruttkowski;68 Werke von Luciano Calderon.
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