Veedelsforschung im Veedelstreff

Hier schlägt das Herz der Gladbacher Straße: die letzte Opakneipe im Belgischen Norden

Eine prächtiger gescheiterte Mission gab es schon lange nicht mehr: Eigentlich war Ziel des Ausflugs an die Gladbacher Straße, die letzten Opakneipen im Belgischen Viertel auszumachen, zumindest, was nicht schon beim letzten Besuch im November abgearbeitet wurde. Diesmal wurde ich begleitet von Michael Claushallmann, einem renommierten People-Fotografen aus dem nahen Ehrenfeld. Auf dem Waschzettel: der Veedelstreff, der Weiße Holunder, der Knobelbecher und ein paar andere. Nebenbei galt es herauszufinden, wo die Grenzen des Belgischen Viertels im Norden verlaufen.

„Der Veedelstreff macht früh zu“, habe ich noch die Warnung im Ohr, daher ist dieser unsere erste Anlaufstation – und zugleich die letzte. Sogleich in die Sitzecke hineinkomplimentiert und mit einer Stammkundin als Wache belegt, müssen wir dem Feind objektiver Berichterstattung ins Auge blicken: eine rüstige Thekenchefin namens Bertie, zwei frische Stangen Kölsch und sonderbar bananig schmeckender, lauwarmer Schnaps, der uns enthusiastisch als „Julitschka“ empfohlen wird. Schnell sind die Bewertungsbögen ausgepackt: „Schummrig oder hell?“ – „Schummrig.“ – „Eckbänke oder Stahlrohrsofas?“ – „Eckbänke.“ – „Tinnef, Sinnsprüche, Clownskitsch?“ – „Keine Clowns, Gäste etwas zu jung, aber schöne FC-Wimpel!“

Die Ermittlungen im Veedel fordern den Journalisten körperlich und geistig

„Was macht ihr denn da?“ – „Vergilbter Inhaber oder junge Dinger?“ – „Na, junge Dinger natürlich!“ Unser üblicher Scherz, die Stimmung steigt, Bertie erzählt vom Veedel und von Stammkunden. Jupp, der sich telefonisch abmeldet, wenn er nicht kommt. Der zehn bis fünfzehn Flaschen alkoholfreies Bier in sich reinschüttet, aber immer schön mit Korn, Jägermeister oder Julitschka. „Apropos, wollt ihr noch einen?“ Immer. Im Hintergrund ein Klirren: Ein Kunde hat schon zum zweiten Mal sein Bier fallen lassen und bestellt ungerührt neue Runden für die ganze Thekenfront. „Jetzt reicht et aber, Jächt!“, empört sich Bertie. 76 sei sie schon, erklärt sie uns, sie stehe gerne hier, erst vor wenigen Jahren habe sich ihre Tochter einen Traum erfüllt und die Kneipe übernommen. „Ist die aber hübsch!“, rufen wir unisono, als sie uns Fotos zeigt.

„Im Belgischen? Nee, nee, das Belgische fängt doch erst da hinten an, ab der Venloer.“ In welchem Viertel wir denn dann wären, wollen wir wissen. Mediapark? „Mediapark!“, schnauft eine Kundin verächtlich. „Der fängt da vorne an, aber ich war seit 15 Jahren nicht mehr da!“ – „Klar ist das hier das Belgische!“, ruft eine junge Frau von weiter hinten. „Aber nur bis da vorne, dann ist Schluss.“ Sie zieht mit den Handkanten zackig durch die Luft. Offenbar gibt es doch noch scharf verlaufende Grenzen zwischen den Vierteln.

Ein Herz für kühles Kölsch. Das Bier ist in Opakneipen einfach leckerer.

„Wie hab ich denn jetzt abgeschnitten?“, erkundigt sich Bertie, als wir viel zu spät eine erkleckliche Menge an Kölsch und Julitschka zahlen. „Acht von zehn Opa-Punkten“, erklären wir stolz. Und hoffen auf weitere Steigerungen. Die aber bleiben aus: bestürzt stellen wir fest, dass überall sonst die Fernseher laufen und Olympia übertragen. Weißer Holunder, Knobelbecher, selbst am Friesenwall, auf den wir verzweifelt ausweichen, plärren die Fernseher und füttern abwesend starrende Gäste mit Sportgeschehen. Angewidert geben wir auf – und finden ausgerechnet im de.lite auf der Moltkestraße doch noch einen versöhnlichen Ausklang. „Feiert mit mir, ich hab einen Job!“, ruft uns eine unbekannte Schönheit um die vierzig zu und bestellt tablettweise Jägermeister. Es ist schummrig, zwar fehlen Sitzbänke und FC-Wimpel, aber manchmal findet man die Seele der Opakneipe auch mitten im Herzen der stylischen Bars.

 

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