Wie wählt das Belgische Viertel?

Nicht jeder im Belgischen Viertel gibt der FDP noch eine Chance: Plakat an der Aachener Straße

Das Wahlfieber steigt im ganzen Land, seit die Bundesregierung nach Meinung fast aller Kommentatoren am vergangenen Sonntag Gegenwind auf allen Ebenen bekommen hat. Umso gespannter verfolgt die Republik den Endspurt in NRW, wo die CDU Federn lässt, die FDP dagegen wieder die Fünfprozenthürde überschritten hat und durch den gleichzeitigen, komentenhafen Aufstieg der Piraten eine stabile Mehrheit der rot-grünen Landesregierung wieder auf Messers Schneide steht. Zeit, einen kleinen Blick auf das Wahlverhalten im Belgischen Viertel zu werfen, das sich über die Jahre zu einer veritablen grünen Hochburg entwickelt hat.

Volkspartei und Spaß dabei - Aktion der Grünen im Landtagswahlkampf

Der Stimmbezirk 10402 liegt rund um die Genter Straße und ist so etwas wie die Herzkammer der grünen Wählerschaft im Veedel. Hier sind die Grünen Volkspartei, bei der Kommunalwahl 2009 kratzten sie sogar an der absoluten Mehrheit. 38,9% erreichten sie hier bei der letzten Landtagswahl, fast doppelt so viel wie die Volksparteien und mehr als irgendwo sonst im Belgischen. Aber selbst in ihrem schwächsten Stimmbezirk rund um den Bahnhof West liegen sie noch über 30% und damit knapp 8% vor der nächstplatzierten SPD. Landesweit holten die Grünen vor zwei Jahren 12%, in Köln über 20%. Die Prognosen geben ihnen diesmal zwischen 10 und 12% im Land, es wird daher interessant sein zu beobachten, ob sich das Belgische Viertel vom Trend abhebt.

Rund um den Westbahnhof ist es bunter, proletarischer und anarchischer als sonst.

Das Belgische Viertel, das sind sechs Stimmbezirke zwischen Venloer und Aachener Straße, dazu je nach Sichtweise bis zu vier nördlich davon und vier südlich. Auffällig ist die eklatante Schwäche beider Volksparteien, die in keinem einzigen Fall ihren Kölner Durchschnitt erreichten – geschweige denn den Landesdurchschnitt. Überraschend hoch war der Stimmanteil der Piraten, die schon 2010 auf Werte zwischen 1,8 (Kölner Durchschnitt) und 5,6 Prozent kamen, mit dem höchsten Wert rund um den Bahnhof West. Überhaupt fällt die Nordwest-Ecke auf: Während beide Volksparteien zusammen gerade 40% holten, durfte sich die Partei, Projekt der Satirezeitschrift Titanic, hier über vergleichsweise stattliche 2,2% freuen. Für Pro NRW stimmte dagegen kein einziger der über 700 Wahlberechtigten. Null Prozent: das sucht trotz landesweit magerer 1,4% seinesgleichen – und das unmittelbar neben der Moschee-Baustelle an der Inneren Kanalstraße!

Die Werderstraße: Hier ist es beschaulich und bürgerlich.

Überhaupt haben es die Rechtsextremisten im Viertel traditionell schwer: kaum einmal erreichten sie überhaupt den Landesdurchschnitt, obwohl in Köln weit überdurchschnittlich für die Anti-Moschee-Trommler gestimmt wird. Sehr gute Ergebnisse konnten dagegen die Linken erzielen. Mit 9,4% absolute Spitze: die Ecke Bahnhof West – zum fünften Mal in der Sonderrolle! Die FDP bleibt insgesamt unauffällig und pendelt um den Kölner Schnitt. Die SPD erreicht den höchsten Stimmenanteil, nämlich knapp 30%, an der Lütticher Straße. Am schwächsten schneidet sie dort ab, wo zugleich die CDU ihr bestes Ergebnis (23,5%) einfährt und das einzige Mal vor den Sozialdemokraten liegt: Im ruhigen Wohn- und Repräsentationsquartier zwischen Stadtgarten und Kaiser-Wilhelm-Ring, rund um die Christuskirche. An der Moltkestraße hingegen reicht es nur für magere 16 Prozent.

Größter Wahlkreis mit 1500 Wählern: rund um die Aachener Straße. Die Landesmutter lächelt ihnen milde zu.

Eine spezielle Veedels-Prognose für die Landtagswahl ist nicht seriös abzugeben. Der Landestrend aber wird auch hier nicht spurlos vorübergehen: Die deutlich überzeichneten, erdrutschartigen Verluste der SPD im Vergleich zu 2005 kamen damals vor allem den Grünen, aber auch den Linken zugute, während die CDU zugleich ebenfalls Stimmen auf bereits niedrigem Niveau abbaute. Es wird wahrscheinlich – wie im Land prognostiziert – eine Rückwanderung insbesondere von den Linken zur SPD geben, sicher aber auch einen deutlichen Anstieg der Piraten-Wähler. Die Grünen haben sich als Macht im Viertel fest etabliert und werden bei einem aller Wahrscheinlichkeit nach weiter bröckelnden Stimmanteil von FDP und Union auf absehbare Zeit die eigentliche bürgerliche Partei bleiben.

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