Pünktlich zu den ersten warmen Tagen ist das Lärmthema im Belgischen Viertel wieder mit voller Wucht in das öffentliche Bewusstsein eingetreten. „Anwohner fordern Verhaftungen“ titelt der Kölner Stadt-Anzeiger unter dem Eindruck eines hitzigen Informationsabends, der neben der Abfuhr von Wut, Frust und Verzweiflung auch neue Erkenntnisse brachte: Der Lärm beschränkt sich nämlich längst nicht mehr auf den Brüsseler Platz, sondern hat sich weit ins Viertel ausgebreitet. Insbesondere der Kreisel Brüsseler/Antwerpener Straße ist mit dem nächtlich geöffneten Kiosk zu einem zweiten Epizentrum des Partyvolks geworden.
An die 100 Anwohner drängelten sich im Gemeindezentrum St. Michael, als Mediator Dr. Detlev Wiener den Informationsabend zum Lärmproblem am Brüsseler Platz eröffnete. Von Beginn an herrschte eine aufgeheizte, bisweilen aggressive Atmosphäre, die von einigen Meinungsführern unter der Anwohnerschaft immer wieder neu entfacht wurde. Die Empörung über fehlende Einsätze von Ordnungsamt und Polizei am letzten Aprilwochenende und in der Walpurgisnacht machte sich schon während der Vorstellung der Gäste lautstark Luft. Denn die Gäste waren vom Ordnungsamt: Amtsleiter Kilp und Einsatzleiter Meier zogen eine Bilanz der Maßnahmen seit der ersten Platzräumung im vergangenen Herbst.
Eigentlich kann sich diese Bilanz sehen lassen und sie ist mit soliden Zahlen untermauert. So waren die meisten Einsätze von Ordnungsamt und Polizei in dem Sinne erfolgreich, dass der Brüsseler Platz zwischen zwölf und ein Uhr weitgehend leer war. Nur hat dies in den seltensten Fällen dazu geführt, dass die Nachtruhe tatsächlich einkehrte: an vielen Wochenenden zogen betrunkene, lärmende Gruppen anschließend durch die Straßen und fanden nicht selten wieder zum Platz zurück, auf dem dann oft noch gegen vier Uhr morgens das Platzen von Flaschen und lautstarkes Grölen zu hören waren.
Entsprechend radikal waren dann auch manche Vorschläge aus dem Publikum, die Wiener auf dem Flipchart festhielt, um sie „ungefiltert“ an die Bezirksvertretung weiterzugeben: Die Polizei solle räumen, mit Megafon und massivem Mannschaftseinsatz, forderte eine Anwohnerin. Der Platz solle komplett umzäunt und nachts versperrt werden, meldete sich ihre Sitznachbarin. Auch der Ruf nach drakonischen Strafen für Wildpinkeln wurde laut: „mindestens 100 Euro wie in Düsseldorf“ sollten fällig werden und nicht nur die derzeit geltenden 35 Euro. Ungewöhnliche Vorschläge waren, auf dem Platz nachts die Beleuchtung abzustellen oder den Müll demonstrativ wochenlang nicht zu räumen.
Kilp, der in Köln teils durchaus den Ruf eines Law-and-Order-Mannes genießt, fiel die Rolle zu, die Grenzen des Machbaren aufzuzeigen. Die deutsche Rechtsprechung lasse das Vorgehen gegen Einzelne bei Lärmstörungen durch Viele einfach nicht zu, erklärte er. Auch habe das Verwaltungsgericht eingeschränkte Öffnungszeiten für Nachschubkiosks in den meisten Fällen abgewehrt. Ein Alkohol- oder Glasverbot für bestimmte Bereiche auszusprechen, stehe Kommunen nicht zu, hierfür müssten zunächst die Landesgesetze geändert werden. Hohe Bußgelder bedeuten Bürokratie, solche über 35 Euro dagegen könnten sofort kassiert werden. Und diese würden auch ausgesprochen, betonte Meier. „Jeden Abend nehmen wir uns Wildpinkler und Flaschenwerfer vor, notfalls holen wir die Polizei“.
Beschlossene Sache ist, die Gastronomie, aber auch die Spielplatzflächen deutlich auszuweiten. Frauentoiletten werden ebenso eingerichtet wie Hinweisschilder auf das bestehende Urinal. Auch die Erhöhung der Straßenreinigungsgebühren hat gute Chancen, zurückgenommen zu werden. In den Augen der Anwohner ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wenn ich nur wüsste, wie man den Brüsseler Platz uncool machen könnte“, sagt eine Bewohnerin, „ich freue mich über jeden Tag, an dem es regnet oder kalt ist“. In diesen Momenten ahnt man, dass sich hinter dem lauten Schaukampf echte Tragik verbirgt: Die schiere Attraktivität gelungener städtischer Quartiere wird zum Problem ihrer Einwohner. Auch Gabi Kiefer von der Initiative Querbeet, die die Hochbeete mit viel Einsatz pflegt, resigniert: „Alles was wir hier pflanzen, wird in kürzester Zeit plattgetrampelt. Der Unrat lockt scharenweise Ratten an. Dazwischen abgebrochene Flaschen. Wer will sein Kind hier noch spielen lassen?“ Dabei seien doch eigentlich alle hier liberal und wollten miteinander auskommen. „Sind wir nicht!“ ruft einer dazwischen. Schon bricht albernes Gelächter aus und gibt den Hardlinern wieder Auftrieb.
Eine Erkenntnis scheint jedoch hängengeblieben zu sein: Das Problem mit Lärm und Müll wird nicht mehr alleine an der Masse der abendlichen Besucher auf dem Platz festgemacht, sondern fokussiert sich zunehmend auf konkrete Störer im ganzen Viertel. Hier sind sich Ordnungsamt und Anwohnerschaft relativ schnell einig: das an den Ringen recht erfolgreiche Konzept der gezielten Verfolgung von Randalierern und Verschmutzern sollte in das Belgische Viertel ausgedehnt werden. Mit diesem Vorschlag kann sich sicher auch die Mehrheit der friedlichen Besucher identifizieren.
In einer Passage hat sich leider Wunschdenken eingeschlichen: „das an den Ringen recht erfolgreiche Konzept der gezielten Verfolgung von Randalierern und Verschmutzern sollte in das Belgische Viertel ausgedehnt werden.“ Sicher wäre das eine wirksame Lösung für die Zeit nach Mitternacht, wenn einige Idioten mit erhöhtem Alkoholpegel bis 3 Uhr früh mit Flaschen kicken, rumkrakeelen und an Haustüren pinkeln. Aber in der Bürgerversammlung hat das ORDNUNGSAMT erklärt, es könne NICHT FLÄCHENDECKEND arbeiten.
Deshalb kam ich schon auf die Idee, mal mit Freunden und Kamera Patrouille zu laufen. Wenn wir uns daraus einen Spaß machen, krieg ich ein paar zusammen. „Bürgerwehr mit Blitzlicht“, heehee. Wir müssten uns bloß rechtzeitig von unsern Freunden losreißen …
Auch in anderen Stadtteilen nimmt die Lebensqualität stark ab. So gehörten die Hermeskeiler Str. und Brunkenstein Str. am Beethovenpark im Stadtteil Lindenthal zu den eher ruhigen Gegenden, wo überwiegend Senioren und Kleinfamilien lebten. Auch hier bepflanzten einige Leute in Eigeninitiative Beete und Grünflächen. Seit eine (oder gar mehrere) Wohngesellschaft ihre frei werdenden Wohnungen und Appartements immer mehr zu Studenten-WGs umfunktioniert hat, ist für viele Bewohner in den ohnehin schon hellhörigen Häusern nachts nicht mehr an Schlaf zu denken. Selbst die 1-Zimmer-Appartements werden als Massenzusammenkünfte und Partyräume genutzt. Blumenbeete wurden für Fahrradabstellorte platt gemacht. Nun lachen die gegenüber lebenden Anwohner tagtäglich Blechlawinen an. Das alles wäre noch harmlos wenn das Jahr nur aus Winter bestünde. Dank der zahlreichen neu angebauten Balkone kann man im Sommer nachts nicht mehr die Fenster gekippt halten, da zur wärmeren Saison die bis zum Morgengrauen anhaltenden Parties nun im Freien stattfinden. Und die Partylöwen, denen noch kein Balkon errichtet wurde, leben ihre Exzesse auf den umliegenden Grünflächen aus. Natürlich ist es selbstverständlich, dass Flaschen, Chipstüten, Dosen etc. auf den Wiesen entsorgt bzw. aus den Balkonen geworden werden. Der Beitrag der Hausverwaltung (en) : Weitere WGs errichten.
Eigentlich ist es jetzt an den besucherstarken Tagen durch den nächtlichen Einsatz der AWB für uns Anwohner schlimmer geworden. Tatsächlich kommt seit einigen Wochen nachts gegen 23.30 Uhr ein lautes, – mit Dauersummton, ähnlich einem überdimensionalen Staubsauger – Dauergeräusch vom Brüsseler Platz in die anliegenden Wohnungen. Zusätzlich wird das Dauerflackerlicht für etwa eine Stunde! eingeschaltet, was besonders die Anlieger der Ecke des Restaurants Jo’s um den Schlaf bringt, da dieses „Flashlight“ durch Markisen und Vorhänge in die Räume dringt.
Diesen Spaß betreibt die AWB also jetzt am Wochenende bis ca. 0.30 Uhr, die Erklärung eines Mitarbeiters:Die Partyleute sollen mit den Einsatzfahrzeugen zusätzlich zum Ordnungsamt „ausgekehrt“ werden! Dagegen ist der Partylärm schon wieder erträglich; der AWB-Einsatz fühlt sich für uns Anwohner an wie eine nächtliche Körperverletzung…